Preußen und der Extremismus

In der veröffentlichten und öffentlichen Meinung halten aktuell viele historisch Ungebildete Preußen für etwas Extremistisches, für etwas „Rechtes“, aber zumindest als etwas nicht Zeitgemäßes. Nichts
könnte falscher sein. Preußen, das in historischer Sicht bis 1819 als moderner Reformstaat galt und auch im Jahrhundert danach stete Modernisierung auf seine Fahne geschrieben hatte, wird leider heute, zumeist auf Grund mangelnder historischer Kenntnisse, als reaktionär, ja mitunter gar als rechtsextrem betrachtet oder verunglimpft.

Extremismus ist jedoch laut der gängigen politischen Lehrmeinung etwas an den Rändern des politischen Spektrums (links wie rechts) verortetes, wobei Extremisten häufig die freiheitlich demokratische Grundordnung ganz oder teilweise ablehnen.

Das Preußen-Institut und seine Mitglieder und Förderer stehen hingegen fest auf dem Boden der politischen Grundordnung und lehnen alle Versuche diese politische Grundordnung zu beseitigen oder antidemokratischen Verhaltensweisen Vorschub zu leisten entschieden ab. Preußen bedeutet, das als „Gut“ erkannte zu
bewahren, also in diesem Sinne konservativ zu sein. Preußen bedeutet aber ebenso, „modern“ in dem Sinne zu sein, etwas als brauchbar und nützlich für das gesamte Volk erkannte zu fördern und im Interesse der Allgemeinheit nutzbringend in der staatlichen und wirtschaftlichen Praxis anzuwenden.

Dazu galt und gilt es besonders die Kultur, Bildung und Wissenschaften sowie die Wirtschaft zu fördern, wozu rechtsstaatliche Gesetze, unabhängige Justiz, Pressefreiheit und ein den Bürger nicht bevormundender, doch notfalls auch durchsetzungsstarker demokratischer Staat gehören. Besonders auf die Eigenschaft der alten Preußen, die als „arm, aber ehrlich“ sowie als sehr sparsam galten, ist hier zu verweisen. Preußens Staatsbudget zeichnete sich stets durch schwarze Zahlen am Jahresende aus. Jeder preußische Finanzminister hätte sich als Versager betrachtet, wenn er einmal genötigt gewesen wäre, dem Parlament tiefrote Zahlen zu präsentieren.

Preußen stand seit dem Beginn seiner Geburt, seit der Königskrönung am 18. Januar 1701 in Königsberg unter der Devise „Suum cuique“. Mit „Gerechtigkeit gegen jedermann“ wird das suum cuique (wörtlich „Jedem das Seine“) in den Statuten des damals gestifteten Schwarzen Adler Orden wiedergegeben. Gerechtigkeit gegen jedermann
bedeutete nach König Friedrich dem Großen, daß vor den Schranken des Gerichts, vor Recht und Gesetz jeder gleich ist: sei er ein Prinz, ein Bauer, ein Bettelmann oder gar der König selbst. Dies war nicht nur blanke Theorie. Unter Friedrich dem Großen wurden die Entscheidungen des Königs und seiner Behörden von Gerichten geprüft.
Dies war der Anfang unserer heutigen 
Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wie allgemein bekannt sein dürfte, konnte bezüglich der Religion in Preußen „jeder nach seiner Facon selig werden“. Ab 1813 wurde die Judenemanzipation in Preußen gesetzlich umgesetzt. Preußen nichtdeutscher ethnischer Herkunft, etwa die aus Frankreich stammenden Hugenotten, die Niederlausitzer Sorben oder die im Osten Preußens lebenden Polen konnten, falls sie unbescholtene, gesetzestreue Staatsbürger waren, zu den höchsten Stellen im Staat und Militär aufrücken.

Preußen hatte nichts mit der Ächtung von fremden Sprachen und Religionen zu tun. Friedrich der Große schrieb bereits im Jahr 1740: „Und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land pöplieren (bevölkern), so wollen wir sie Mosqueen und Kirchen bauen lassen.“ Preußen kann also heute nur von extremen Egoisten und Selbstverwirklichern abgelehnt werden. Wer indessen die Sache vor die (eigene) Person stellt und wer mehr sein will als scheinen, der muß auf preußischen Spuren wandeln. Insofern sind die Begriffe „Preußen“ und „Extremismus“ nicht nur inkompatibel, sondern völlig unvereinbar. Ein Preuße kann per se kein Extremist sein, sondern wird als mündiger, demokratischer, gesetzestreuer Bürger im

Interesse der Allgemeinheit wirken.
Professor Dr. Wolfgang Stribrny
Dr. Jürgen W. Schmidt

Preußen und das nationale Prinzip

Preußen gilt heute für viele Intellektuelle als nationalistisch, rechts bis rechtsradikal. Zwar gehört das Kaiserreich in die weltweite, im Grunde noch heute anhaltende Epoche des Nationalismus, aber das alte Preußen hatte mit dem Nationalismus nichts zu tun. Was nach 1871 nationalistisch war, kam von 1848 her und gerade nicht von Preußen. Seinen angeblichen „Beruf“, die Einigung Deutschlands, entdeckten Preußen und sein König erst im März 1848.

Die Gleichsetzung Preußens mit dem Nationalsozialismus findet sich immer noch bei Linksintellektuellen. Dabei kam kein führender Nationalsozialist aus Preußen. Selbst die Gauleiter in den preußischen Provinzen waren Importe aus dem Süden (der von Pommern hieß nicht zufällig Schwede-Coburg) und Westen.

Das alte Preußen war nicht nur der erste Staat der Religionsfreiheit, sondern es war auch ein Staat, der Menschen verschiedener Sprache offenstand. Der eine meiner beiden schlesischen Urgroßväter kam aus der tschechischen Sprachinsel Hussinetz (bei Strehlen, südlich von Breslau), wo Friedrich der Große Böhmische Brüder angesiedelt hatte. Sie waren als tschechisch-sprachige Evangelische 1745 dem konfessionellen Druck Maria Theresias gewichen. In Preußen hatten sie sich mit ihrer Forderung, zusammen zu siedeln, um Konfession und Sprache zu erhalten, durchgesetzt.

Das galt bis zur Vertreibung durch die Polen nach 1945. Neben dem Urahnen Stribrny steht der Urahn Prusse. Dieser wahrhafte Preuße predigte bis zu seinem Tode im Jahre 1901 als evangelischer Pfarrer jeden Sonntag in polnischer und in deutscher Sprache in Mangschütz Kreis Brieg. Zuvor war er am Königlichen Evangelischen Lehrerseminar in Kreuzburg (Oberschlesien) tätig.

Von Dozenten für die polnische Sprache wurden hier doch Lehrer ausgebildet, die in Dörfern mit polnischer Haussprache Kinder auf polnisch behutsam mit der deutschen Sprache vertraut machen sollten. In der 1900 gedruckten Geschichte seines Pfarrdorfs bekannte sich Prusse begeistert zu den Hohenzollern und ging auf die polnischen Wurzeln seines Dorfes gründlich ein. 1960 erschien in Litauen im Faksimiledruck ein vorzüglich ausgestattetes Buch, in dem der auf litauisch gedruckte Text zweisprachiger preußischer Verordnungen reproduziert wurde. Nach außen gab man das den Sowjets gegenüber als sprachkundliche Publikation aus. Tatsächlich wollte man zeigen, welche sprachliche Freiheit im Herzogtum und Königreich Preußen herrschte. Die Moskauer Unterdrücker der litauischen Kultur merkten dann bald, welcher Spiegel ihnen hier vorgehalten wurde und verboten das heute seltene Buch. Immanuel Kants Großvater war in der Stadt Memel Dolmetscher für die litauische Sprache und half der litauischen Landbevölkerung amtlich dabei, vor den königlichen Gerichten ihr Recht zu erhalten.

Allen sind die Hugenotten bekannt. Und selbst Menschen, die nur wenig von Preußen und über Preußen wissen (wissen wollen), sagen, daß man Toleranz gegenüber den Hugenotten wahrte. Dabei wird immer übersehen, daß den Hugenotten die Flucht über die bewachten französischen Grenzen streng verboten war. König Ludwig XIV., dem damals mächtigsten Mann Europas, trat das kleine Brandenburg-Preußen mit dem Edikt von Potsdam 1685 offen entgegen. Man wußte nicht, wie viele Hugenotten sich nach Brandenburg durchschlagen würden und mit welchen Fähigkeiten sie begabt wären. Für sie mußte viel Geld investiert werden.

Wichtiger als Toleranz einer kleinen Minderheit gegenüber ist die wirkliche Religionsfreiheit, die Preußen als erster moderner Staat realisiert hatte. Als nach der Annektion Schlesiens (1742) eine erhebliche Zahl Katholiken mit der damals mehrheitlich evangelischen Provinz Preußen wurden, mußte sich die Religionsfreiheit bewähren.

Mit der Annektion Westpreußens und des Netzedistrikts ( 1772) mußte sich in erster Linie die Offenheit gegenüber der polnischen Sprache, die dort auf dem Lande teilweise vorherrschte, bewähren. Symbol dieser Haltung ist die Berliner Hedwigskirche: die heutige Hedwigskathedrale des Erzbischofs von Berlin wurde von Friedrich dem Großen zwischen dem Stadtschloß und dem Opernhaus in Berlins Mitte geplant. Er schenkte das Grundstück. Genannt wurde die Kirche nach der heiligen Herzogin von Schlesien, geweiht wurde sie vom ermländischen Fürstbischof Ignatius Krasicki im Jahre 1773. Bischof Krasicki, ein polnischer Dichter, der nunmehr preußischer Untertan war, gehörte zur Tafelrunde Friedrichs des Großen und lebte zeitweise in Potsdam, wo er auch starb. Keine andere europäische Hauptstadt hat in ihrem Zentrum eine derart repräsentative Kirche einer Minderheitskonfession!

Preußen war offen für andere Sprachen und Konfessionen. Der preußische Staatsgedanke, der einzige, den Deutschland hervorgebracht hat, ist übernational. Mit Nationalismus hat Preußen nichts zu tun.

Prof. Dr. Wolfgang Stribrny, Bad Sobernheim